Der drohende Grexit ist der Zwang zur Wahrheit

Seit fünf Jahren ist Griechenland de facto zahlungsunfähig. Trotzdem versucht insbesondere die CDU den Eindruck zu erwecken, es gäbe keine Transferunion und der Euro würde den ökonomischen Realitäten Rechnung tragen. Um nicht zugeben zu müssen, dass die Einführung des Euro ein historischer Fehler erster Güte war, ergreift man die Flucht nach vorn und erklärt den Euro als unauflöslich. Keine Alternative zu haben, macht aber erpressbar. Und genau dies nutzt die neue griechische Regierung knallhart aus. Von den ursprünglichen Reformauflagen, die vom Bundestag abgesegnet wurden, ist schon längst keine Rede mehr.

Nachdem die griechische Regierung seit mehr als drei Monaten die Eurogruppe erfolgreich erpresst hat und dabei mehr als 20 Milliarden Euro zusätzlich in Form von ELA-Krediten abgestaubt hat, kommt nun Gabriel und spricht selbst von Erpessung.

Gabriel äusserte sich jüngst gegenüber der Bildzeitung wie folgt: „Deshalb werden Europa und Deutschland sich nicht erpressen lassen. Und wir werden nicht die überzogenen Wahlversprechen einer zum Teil kommunistischen Regierung durch die deutschen Arbeitnehmer und ihre Familien bezahlen lassen“

Gabriel sieht sich also gezwungen, seine Äußerungen der Realität anzupassen. Denn seit fünf Jahren sorgt die Bundesregierung dafür, dass deutsche Steuerzahler mit Griechenland einen anderen Staat finanzieren, in dem die Bürger ein höheres pro-Kopf-Vermögen haben, in dem die Renten höher sind und in dem die Einkommen bezogen auf die Produktivität weit höher sind als in Deutschland.

Ein Mann der vor kurzem noch lauthals Eurobonds gefordert hat, räumt jetzt plötzlich die Gefahr der Erpressbarkeit ein, obwohl die Erpressung längst stattfindet.

Auch Schäuble räumte Ende Mai ein: „Griechenland ist nicht mehr wettbewerbsfähig“. Auch hier eine Annäherung an die Realität. Denn die Wahrheit ist: Griechenland war im Euro nie Wettbewerbsfähig. Und gleichwohl hat sich auch Schäuble für die Griechenlandbürgschaften stark gemacht.

Die Gefahr des Grexit zwingt die Politiker, ihre Aussagen wieder auf die Fakten zurückzuführen. Und dies macht den Politikern Angst. Denn Frau Merkel reagiert seit langem nach der Methode, die politischen Diskussionen von der Realität weitgehend abzulösen. Umso mehr deutlich wird, wie gross die Klufft zwischen dem Regierungshandeln und der Realität ist, desto gefährlicher wird es für die Regierung Merkel.

Man darf gespannt sein, wie lange es noch dauert, bis auch Merkel selbst ihre Aussagen an die Realität anpassen muss. Die bis dahin erfolgreiche merkelsche Methode des Verschleierns, Schönredens und Verharmlosens dürfte dann an ihre Grenze gelangt sein.